Was der Mittelstand über Cloud Native wissen sollte

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Ob Microservice oder Container, elastisch oder serverlos – Cloud-Native-Anwendungen schöpfen die Potenziale der Public Cloud vollständig aus. Agil, skalierbar, resilient und kostenoptimiert bedienen cloud-native Apps die Technologien, die die Plattformbetreiber und Hyperscaler bereitstellen. Welche Vorteile Cloud-Native-Anwendungen im Mittelstand bieten.

Übersicht

Definition: Cloud-native erklärt

Cloud-Native-Software setzt auf die Public Cloud. Cloud-Native-Anwendungen lassen sich nicht nur hoch skalieren, sondern auch dynamisch entwickeln und agil betreiben. Cloud-native Apps sind hoch standardisiert und hoch defragmentiert. Die Softwareeinheiten bestehen etwa aus virtuellen Containern und Microservices und sind über Programmierschnittstellen (APIs) flexibel miteinander gekoppelt. Zudem sind die Systeme intelligent automatisierbar. So provisionieren Cloud-native Apps im Mittelstand eigenständig Ressourcen, um Lastspitzen abzufangen oder Betriebs- und Verbrauchskosten zu reduzieren. „Eigenschaften wie diese machen zwar die Softwareentwicklung komplex und teuer. Aber der Aufwand rechnet sich über den Betrieb“, sagt Heiko Henkes, Director bei ISG im Interview mit EuroCloud Native (ECN), der Cloud-Native-Initiative von EuroCloud Deutschland.

„Eigenschaften wie diese machen zwar die Softwareentwicklung komplex und teuer. Aber der Aufwand rechnet sich über den Betrieb.“

Heiko Henkes, Director, ISG

Wie sind cloud-native Applikationen aufgebaut?

Beispielsweise sind in einer cloud-nativen E-Commerce-Suite die Middlewares, Back- und Frontends modulare Softwarebausteine. So lassen sich die Applikationen einfacher auf den Kundenbedarf zuschneiden als monolithische Anwendungen. Zudem ist die cloud-native Architektur darauf ausgelegt, Ressourcen dynamisch anzupassen – immer abgestimmt auf Bedarf, Anforderung und Auslastung. Dynamik und Agilität gewinnen die Cloud-Nativen-Apps aus den Funktionen, Diensten und Virtualisierungstechnologien, die die Public-Clouds bieten.

Wie unterscheiden sich cloud-native und monolithische Anwendungen?

Monolithische Anwendungen, wie etwa ERP-Systeme, können nicht automatisch skalieren oder elastisch serverlose Funktionen nutzen. Firmen betreiben diese Applikationen zumeist auf dedizierten Servern. Dienste dieser Softwares sind weder flexibel noch modular aufgebaut. Anpassungen an individuelle Anforderungen müssen die Unternehmen zumeist im eigenen Serverraum vornehmen. Während die standardisierten Cloud-Native-Applikationen im Mittelstand agil sind und gewissermaßen über die Public Cloud atmen, sind Altanwendungen starr und sperrig. Softwareausfälle wirken sich zudem auf das Gesamtsystem aus. Über Microservices aufgebaute Cloud-native Software ist fehlertoleranter und resilienter.

Cloud-Native Technologien erklärt

Was sind Container?

Container stellen cloud-native Anwendungen einfach und komfortabel bereit. Ein Container enthält alle Applikationen und Daten, die für einen Einsatzweck notwendig sind. Container haben sich als Alternative zur virtuellen Maschine etabliert. „Im Gegensatz zu einer ‚echten‘ virtuellen Maschine enthält ein Container allerdings kein eigenes Betriebssystem oder eigenen Kernel. Es handelt sich somit nicht um eine Betriebssystemvirtualisierung“, schreibt das Fachmagazin dev-insider.de. Container sind schlanker aufgebaut als herkömmliche virtuelle Maschinen. Egal, ob Software für den Büroalltag, Systeme für das Warenlager oder die Entwicklung von Apps – Container stellen alle Anwendungen, die Mitarbeiter im Mittelstand benötigen, virtuell bereit.

Was sind Microservices?

Microservices zerteilen Dienste, Abläufe und Prozesse in viele Teilaufgaben. Jeder Service erledigt nur eine einzelne Aufgabe, dafür aber hoch automatisiert, hoch skalierbar und unerreicht effizient. Microservices nutzen Cloud-Ressourcen optimal, da jeder Microservice nur so viel Leistung abfragt, wie er auch benötigt. Über Programmierschnittstellen (APIs) lassen sich die Microservices miteinander verbinden. So wächst in der Public Cloud ein Ökosystem für die nächste Generation von Cloud-native-Anwendungen im Mittelstand. Derartige Software ist fehlertoleranter, kann Daten leichter austauschen und Wertschöpfungsketten, wie sie in der vernetzten mittelständischen Industrie entstehen, übergreifend verzahnen.

Welche Rolle spielen elastische und serverlose Cloud-Funktionen?

Elastische und serverlose Computing-Funktionen stellen Cloud-Ressourcen immer so bereit, wie es Cloud-Native-Anwendungen in Echtzeit nachfragen. Dazu kann eine Cloud-Native-Applikation Prozessor-, Arbeitsspeicher-, Speicherressourcen, Container und Microservices bedarfsgerecht provisionieren und deprovisionieren. Im Gegensatz zur Skalierbarkeit, die sich zumeist auf die Anwendungsebene bezieht, sorgen elastische und serverlose Funktionen für einen stets reibungslosen, kostenoptimierten und automatisierten Applikationsbetrieb. Alle Funktionen überwacht der Cloud-Anbieter, was Verwaltungsaufwand für Cloud-native-Anwender im Mittelstand reduziert und – im Gegensatz zu herkömmlicher IT-Infrastruktur – Einsparpotenziale bietet: Bei elastischen und serverlosen Computing-Funktionen entwickeln sich die Kosten linear zur Anwendungsanforderung mit.

Wie entwickelt sich der Cloud-Native-Markt?

Laut den Marktbeobachtern von Gartner erreichten die weltweiten Umsätze mit Public-Cloud-Diensten 2019 rund 227 Milliarden Dollar. „An diesem Punkt ist die Cloud-Akzeptanz Mainstream“, sagt Sid Nag, Research Vice President bei Gartner. Die Public-Cloud-Umsätze wachsen auch hierzulande: Im Jahr 2020 haben sie sich bereits auf 13,7 Milliarden Euro aufsummiert, schätzen die Unternehmensberater von Arthur D. Little und eco Verband in ihrer Studie zur Internetwirtschaft in Deutschland. Bis 2025 sollen die Umsätze mit der Public Cloud hierzulande jährlich um 30 Prozent zulegen. Infrastruktur-, Plattform- und Software-Dienste aus der Public Cloud werden somit das wachstumsstärkste Segment überhaupt in der deutschen Internetwirtschaft sein, zeigt die Studie von eco und Arthur D. Little.

Laut ISG Pulse Check nimmt der Cloud-Native-Markt nimmt in Deutschland Fahrt auf. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse einer branchenübergreifenden Online-Befragung, die ISG und EuroCloud Native im Jahr 2021 durchgeführt haben. Die Mehrheit im Mittelstand interessiert sich für Cloud-native Technologie. Für lediglich 3 Prozent der Befragten steht das Thema derzeit nicht auf der Agenda. Trotz aller Aufbruchstimmung zeigt der ISG Pulse Check auch, dass sich die meisten Anwender in einer eher initialen Umsetzungsphase befinden. Infolgedessen werden die vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten von Cloud-Native vielerorts im Mittelstand erst teilweise erkannt.

Wie arbeiten Unternehmen im Mittelstand mit der Cloud-Native-Technologie?

„22 Prozent der Unternehmen aus Deutschland, die die Cloud nutzen oder ihren Einsatz planen, arbeiten bereits mit Cloud-Native-Ansätzen. Weitere 50 Prozent planen den Einstieg.“

ISG pulse Check 2021, ISG und Eurocloud native

Ob Big-Data-Analytics, künstliche Intelligenz oder Anwendungen für das Internet der Dinge – Unternehmen aus dem Mittelstand denken digitale Wertschöpfung über Cloud-Native-Technologien neu. Wer datenbasierte Produkte und Services anbieten möchte, der erschließt sich über die Public Cloud Geschäftsmodelle. So haben ISG und EuroCloud Native 200 IT-Entscheider aus dem Mittelstand zum Einsatz von Cloud-Native-Technologien befragt: Während 22 Prozent der Umfrage-Teilnehmer bereits erste Projekte umsetzen, planen weitere 50 Prozent den Einstieg, zeigt der ISG Pulse Check aus dem Jahr 2021.

Warum der Mittelstand auf die Public Cloud setzt: Als Grund sieht Crisp Research die Innovationskraft der Hyperscaler, wie die Umfrage Managed Cloud Innovation der Marktforscher aus dem Jahr 2018 zeigt. Maßgebliche technologische Fortschritte passieren in der Public Cloud, was diese Plattformen zur Plattform der Wahl für cloud-native Workloads und datenbasierte Produkte macht. Gerade der Mittelstand setzt bei seiner Cloud-nativen Transformation auf externe Unterstützung, wie der ISG Pulse Check zeigt: 85 Prozent der Befragten erachten es als wichtig oder sehr wichtig, mit spezialisierten Cloud-Native-Providern zusammenzuarbeiten.

Warum das so ist: Zum einen, weil es an Cloud-native-Experten im Mittelstand mangelt. Laut ISG Pulse Check sehen 37 Prozent der befragten Unternehmen ihre Cloud-Strategie ausgebremst, da Fachkräfte fehlen. Und zum anderen, weil die deutsche Wirtschaft hoch spezialisiert auf ihr Kerngeschäft ist. Die Unternehmen vermeiden jedes Risiko und scheuen davor zurück, eigenes Know-how in Bereichen außerhalb des eigenen Geschäftsmodells aufzubauen. Stattdessen gehen die Firmen auf Partner zu. „Eine Wirtschaft mit solchen Spezialisten können sie nicht mit Standardrezepten transformieren. Dazu brauchen sie Dienstleister, die ebenso spezialisiert sind und sich in die Branche und das Geschäft ihrer Kunden hineindenken“, sagt Thomas Noglik, Vorstand bei EuroCloud Deutschland im Interview auf www.eurocloudnative.de.


„Eine Wirtschaft mit solchen Spezialisten können sie nicht mit Standardrezepten transformieren. Dazu brauchen sie Dienstleister, die ebenso spezialisiert sind und sich in die Branche und das Geschäft ihrer Kunden hineindenken.“

Thomas Noglik, Vorstand, EuroCloud Deutschland

Wie machen Cloud-native-Anwendungen den Mittelstand resilienter?

Wer betriebswirtschaftliches Know-how mit Cloud-Native-Expertise kombiniert, macht IT-Landschaften und Geschäftsmodelle im Mittelstand resilienter. Public-Cloud-Technologien lassen sich eng an Wertschöpfungsprozesse binden, um robuste, resiliente und widerstandsfähige Applikationen zu realisieren. So entstehen Anwendungen, die flexibel und automatisch auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren können. Beispiel Corona-Pandemie: Wo Wertschöpfungsketten abreißen und Logistiknetzwerke stocken, skaliert eine Cloud-Native-IT-Landschaft im Mittelstand mit. Das spart Ressourcen, Kosten und hält den Geschäftsbetrieb aufrecht. In einer solchen Architektur bilden viele redundante Einzelanwendungen ein Ganzes, das sich selbst organisiert und intelligent anpasst.

Wie macht FinOps den Mittelstand wettbewerbsfähiger?

Wenn Geschäft und Cloud skalieren, bleiben Kosten dank FinOps unter Kontrolle. FinOps erweitert das DevOps-Mindset um die Ziele und Anforderungen von Finance Departments. Das Ziel: Den eigenen Cloud-Betrieb über Cloud-Native-Technologien im Mittelstand so zu optimieren, dass sich Ressourcen intelligent automatisieren lassen, um Kosten zu sparen. Zum einen wollen Cloud-Großkunden einzelne Posten für die Finanzbuchhaltung detailliert aufschlüsseln können. Und zum anderen wollen die Unternehmen erkennen, was die Ausgaben unnötig in die Höhe treibt. Wer seinen Cloud-Betrieb im Mittelstand kosteneffizienter realisiert, der spart nicht nur, sondern wird am Ende wettbewerbsfähiger.

Wie helfen Cloud-Native-Dienstleister dem Mittelstand?

Die Geschäftsmodelle der Coud-Native-Dienstleister setzen vollständig auf der Infrastruktur und Technologie der Hyperscaler auf. Anbieter aus diesem Kreis sind zumeist junge Unternehmen oder Start-ups, die weder eigene Rechenzentren betreiben noch technische Altlasten mit sich herumschleppen. Die sogenannten „Cloud Natives“ bieten IT-Services für den Mittelstand an wie Beratung, Entwicklung, Training und Managed Services. Ihre Dienste realisieren sie ausschließlich über die Plattformen von Public-Cloud-Anbietern. „Solche Unternehmen leben die Cloud, und niemand kennt sich so gut mit der Public Cloud aus wie diese Pioniere“, sagt Dr. Nils Kaufmann, Leiter von EuroCloud Native im Interview. „Die Landschaft der Provider ist so agil, innovativ und flexibel wie die cloud-nativen Services selbst”, sagt Heiko Henkes, Director bei ISG in der Gemeinschaftsstudie ISG Pulse Check.

Dr. Nils Kaufmann

„Solche Unternehmen leben die Cloud, und niemand kennt sich so gut mit der Public Cloud aus wie diese Pioniere.“

Dr. Nils Kaufmann, Leiter EuroCloud Native

Wie erschließen Cloud-Native-Provider im Mittelstand datenbasierte Geschäftsfelder?

Cloud Natives verstehen besser als andere, worum es in der Public Cloud geht. Ihre Services setzen auf den Ebenen oberhalb der Infrastruktur an. Sie helfen dem Mittelstand nicht nur dabei, eine Geschäftssoftware in der Public Cloud zu betreiben, sondern auch, Daten zu gewinnen, zu vernetzen, zu teilen, zu analysieren und daraus neue Geschäftsfelder zu erschließen. Beispiel künstliche Intelligenz (KI): Wird KI flächendeckend eingesetzt, ist ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von über 13 Prozent bis 2025 (im Vergleich zu 2019) realistisch, was einem Gesamtpotenzial von rund 488 Milliarden Euro, zeigt eine KI-Studie des eco Verbands. Auch, um KI-Chancen im Mittelstand auszuschöpfen, spielt die Public Cloud eine Schlüsselrolle.

Wie schließen Cloud-Native-Anbieter im Mittelstand Fachkräftelücken?

Laut Gemeinschaftsumfrage ISG Pulse Check von ISG und EuroCloud Native aus dem Jahr 2021 bremst der Fachkräftemangel die Cloud-Strategie im Mittelstand aus. Mit einer Zustimmung von 37 Prozent führt dieser Punkt die Liste der Umsetzungshemmnisse klar an. Angesichts fehlender Cloud-Native-Experten im Mittelstand sind IT-Verantwortliche dazu gezwungen, sich auf die Anforderungen zu fokussieren, die das Business am stärksten erfordern.

Zudem zeigt die Umfrage Managed Cloud Innovation von Crisp Research: Zwar wollen 71 Prozent der mittelständischen Unternehmen die Verantwortung für ihre Public-Cloud-Umgebung an Experten auslagern. Aber deutschlandweit stehen dafür nur ein paar Dutzend Anbieter bereit. So zählen die Marktforscher von Crisp Research in ihrem Marktvergleich aus dem Jahr 2018 gerade einmal 26 Anbieter für Managed Kubernetes & Container Services und 17 Managed-Public-Cloud-Provider. Cloud-Native-Dienstleister schließen die Cloud-Fachkräftelücke. Aber die Nachfrage übertrifft das Angebot bei weitem.

Wie amortisieren Cloud-Natives-Anbieter die Innovationskraft der Hyperscaler?

Cloud Natives bedienen sie sich souverän aus Microservice-Bibliotheken, orchestrieren Cloud-Dienste der verschiedenen Hyperscaler und behalten für ihre Kunden im Mittelstand den Überblick über die Innovationen, die die großen Plattformen quasi täglich veröffentlichen. Im Wochentakt bringen die Public-Cloud-Anbieter Lösungen und Updates auf den Markt. Ihre Komplexität zu beherrschen und über den Einsatz im eigenen Unternehmen zu entscheiden, ist für die meisten IT-Mitarbeiter unmöglich. Cloud-Native-Dienstleister für den Mittelstand behalten den Durchblick.

Wie bringen Cloud-Native-Dienstleister die Hyperscaler mit den Unternehmen ins Geschäft?

Cloud Natives helfen den Unternehmen, ihr Geschäft in der Public Cloud zu digitalisieren. Ihr Know-how nutzen bereits Mittelständler wie DAX-Konzerne. Cloud-Native-Dienstleister nehmen eine Schlüsselrolle ein: Sie gelten als Bindeglied zwischen traditionellen Unternehmen und den großen Technologielieferanten. Als Mittler sind sie in der Lage, die Potenziale der Public Cloud für die Anwender aus der Wirtschaft zu erschließen. „Cloud Natives brechen die Größe der Public-Cloud-Anbieter und die Komplexität der Technologie für die Kunden runter. So bringen die Cloud-Native-Anbieter die Hyperscaler ins Geschäft“, sagte Heiko Henkes, Director bei ISG, auf dem Kick-off-Event zur Cloud-Native-Initiative EuroCloud Native (ECN) von EuroCloud Deutschland.

„Cloud Natives brechen die Größe der Public-Cloud-Anbieter und die Komplexität der Technologie für die Kunden runter. So bringen die Cloud-Native-Anbieter die Hyperscaler ins Geschäft.“

Heiko Henkes, Director, ISG