FinOps: Mehr Werte aus der Cloud schöpfen

Hand, die eine Schere zum Schneiden von Geldscheinen hält.
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„Wer in die Cloud geht, sollte von Anfang an an FinOps denken“, sagt Julian F. Wintermayr von wintercloud. „Dabei erweitert FinOps eigentlich nur das DevOps-Mindset um die Ziele und Anforderungen der Finance Departments“, sagt Oliver Gehrmann von kreuzwerker. Warum es kompliziert ist, Kosten in der Cloud zu optimieren. Wie Cloud-Native-Provider helfen. Und warum FinOps gerade im Mittelstand Sinn macht.

Den eigenen Cloud-Betrieb cloud-native optimieren, um Ressourcen intelligent zu automatisieren – und Kosten zu sparen: FinOps ist auf dem Vormarsch. Warum das so ist, zeigt eine weltweite Umfrage aus dem Februar 2021, die die FinOps Foundation veröffentlicht hat. Demnach passt bereits jede zweite Firma mit mehr als 10.000 Mitarbeitern eigene Cloud-Prozesse gezielt an, um aus ihrem Cloud-Invest mehr Werte zu schöpfen. Ein Invest, dass sich allein bei den 800 vom Branchenverband befragten Unternehmen aus der ganzen Welt letztlich auf jährlich mehr als 30 Milliarden Euro aufaddiert. Ausgaben, über die Abteilungen und Fachbereiche Rechenschaft ablegen müssen, um Berichtspflichten nachzukommen. FinOps ist die Lösung. Gerade Großunternehmen mit komplexen Cloud-Landschaften packen Thema und Teamstrukturen an: So sollen sich laut Umfrage die FinOps-Mannschaften in den nächsten 12 Monaten nahezu verdoppeln.

Cloud-Native-Anbieter optimieren Cloud-Kosten

Julian F. Wintermayr, Co-Founder & Cloud Security Architect bei wintercloud GmbH & Co. KG
Julian F. Wintermayr, Co-Founder & Cloud Security Architect bei wintercloud.

„Wer in die Cloud geht, sollte von Anfang an an FinOps denken“, sagt Julian F. Wintermayr, Co-Founder & Cloud Security Architect bei wintercloud. „Dabei erweitert FinOps eigentlich nur das DevOps-Mindset um die Ziele und Anforderungen der Finance Departments“, sagt Oliver Gehrmann, CEO der kreuzwerker Frankfurt. Beide Cloud-Native-Anbieter sind darauf spezialisiert, für ihre Kunden Cloud-Architekturen zu optimieren. Und beide Anbieter engagieren sich seit kurzem bei EuroCloud Native (ECN), der Ende 2020 gegründeten Cloud-Native-Initiative von EuroCloud Deutschland. Ein Ziel der ECN: Über cloud-native Fachthemen wie FinOps zu informieren.

Oliver Gehrmann, CEO der kreuzwerker Frankfurt
Oliver Gehrmann, CEO der kreuzwerker Frankfurt.

wintercloud und kreuzwerker sind auf Amazon Web Services (AWS) spezialisiert. Beide Provider beraten ihre Auftraggeber und entwickeln cloud-native Software in der Public Cloud von Amazon. „AWS ist der FinOps-Vorreiter unter den Hyperscalern“, sagt Gehrmann. „Microsoft Azure und Google Cloud Platform ziehen aber seit einigen Jahren nach.“ So bietet AWS ein definiertes Set an ausgereiften Tools, Anwendungen und Best Practices, die für FinOps notwendig sind. „Europäische Cloud-Anbieter können hier noch nicht mithalten“, sagt Wintermayr. „Allerdings holen hiesige Provider auf.“ Zum einen, weil die Nachfrage hierzulande wächst und zum anderen, weil optimierte Cloud-Ressourcen Geld sparen – und Strom. Laut Studie vom eco – Verband der Internetwirtschaft sind nachhaltigere Rechenzentren notwendig, um das Klima zu schützen. FinOps kann ein Baustein zur Lösung sein.

Cluster, Container und Instanzen: Sparpotentiale auf Anhieb nicht immer klar

Um die Kosten der eigenen Cloud-Nutzung zu strukturieren, reichen smarte Werkzeuge allein nicht aus. „FinOps ist wenig selbsterklärend und daher beratungsintensiv“, sagt Gehrmann: „Bei AWS-Großkunden umfasst der monatliche sogenannte AWS Cost and Usage Report schon mal 1 Milliarde Tabellenzeilen.“ Die CSV-Datei zeigt die Kosten und Nutzung der AWS Infrastruktur besonders detailliert auf. Ob Netzwerktransfers, Speichernutzung und API-Zugriffe – lückenlos listet der Cloud-Anbieter auf, was Kunden in welchem Umfang verbrauchen und bezahlen müssen. Und anders als bei pauschalen Mobilfunk-Flatrates wollen Cloud-Großkunden einzelne Posten im Detail für das Finanzreporting aufschlüsseln und zudem erkennen können, was die Ausgaben unnötig in die Höhe treibt. Ein Beispiel: „Wer eine Test- und Entwicklungsumgebung ungenutzt rund um die Uhr durchlaufen lässt, kann das noch recht einfach feststellen und Computing-Ressourcen sparen“, sagt Wintermayr. „Anders bei einem Kubernetes-Cluster mit vielen Containern und Nodes“, sagt Gehrmann. „Wo sich hier sparen lässt, ist nicht auf Anhieb klar.“

Cloud-Kosten mit Big Data-Werkzeugen durchblicken

Was da für Durchblick sorgen kann: Wenn Unternehmen FinOps nicht als Kosten- sondern als Big Data-Problem verstehen. Die Rohdaten aus den Berichten lassen sich mit entsprechenden Tools analysieren, visualisieren, auswerten und aufschlüsseln. „So lässt sich herausarbeiten, wer welche Dienste wie intensiv nutzt“, sagt Gehrmann. Aber ein Problem bleibt: „Die sogenannten Shared Costs“, sagt Gehrmann. Shared Costs betreffen Cloud-Dienste, die alle Anwender anteilig mitnutzen. Wie sich derartige Kosten intern umlegen lassen, ist für viele Cloud-Kunden problematisch. Ein Problem, das sich laut Umfrage der FinOps Foundation dabei in jedem dritten Unternehmen stellt.

Mehrwerte für das Geschäftsmodell erkennen statt in Budgettöpfen denken

Tagging kann eine Lösung sein. „Darüber lassen sich einzelne Cloud-Ressourcen im Vorfeld bestimmten Nutzern und Teams zuordnen“, sagt Wintermayr. Ob virtuelle Maschine, Microservice oder Programmierschnittstelle, sind alle Dienste und Services detailliert etikettiert, lassen sie sich intern einfacher verrechnen – aber auch nur bedingt. „Den Königsweg, um die gemeinsam genutzten Dienste mit den Tochtergesellschaften in einem Konzern abrechnen zu können, finden die Anwender so ebenfalls nicht“, sagt Wintermayr. Was da noch helfen kann? Ein Perspektivwechsel. „Wer in Budgettöpfen denkt, hat die Cloud nicht verstanden“, sagt Wintermayr. Gehrmann: „Unternehmen müssen sich fragen, welchen Mehrwert die Cloud dem Geschäftsmodell bringt?“

Cloud-Infrastrukturen sind dynamisch und flexibel. „Genau so müssen die Nutzer FinOps anpacken“, sagt Gehrmann. „Dafür müssen sich Finance- und IT-Departments an einen Tisch setzen, um den Bedarf des Gegenübers zu verstehen.“ Beispielsweise skalieren cloud-native Anwendungen je nach Bedarf selbständig. Flexibilität, die Entwickler schätzen, aber die Finanzbuchhaltern Sorgen bereitet. Denn auch die Kosten skalieren im Pay-as-you-Go-Preismodell mit, was sie unvorhersehbar und schwer planbar macht, wenn Cloud-Ressourcen nicht richtig gemanagt sind. Ließen sich früher Server kaufen, im eigene Rechenzentrum betreiben und binnen drei bis fünf Jahre abschreiben, setzen die Mechaniken der Public Cloud ein anderes Verständnis voraus. „Wie bei DevOps braucht es bei FinOps einen Schulterschluss“, sagt Wintermayr. So müssen beispielsweise Entwickler lernen, wie sich ihre Software auf die Businessprozesse auswirkt: Wer kleine Details einer Zeile Code ändert, kann bereits sparen, ohne dabei Abstriche bei den fachlichen Anforderungen machen zu müssen.

Sparpotentiale cloud-native ausschöpfen

Kapazitäten reservieren, Instanzen und Storage optimieren: „Wir analysieren, wo Kosten entstehen, bestimmen dann Maßnahmen und implementieren ein Monitoring, um Erfolge zu messen“, sagt Gehrmann. „Darüber hinaus kommen die Anwendungen selbst auf den Prüfstand“, sagt Wintermayr. Werden monolithische Alt-Applikationen via Lift and Shift in die Cloud gehievt, kann das teuer werden. „Modulare cloud-native Anwendungen schöpfen die technologischen Vorteile der Public Cloud dagegen voll aus“, sagt Wintermayr. „Ressourcen lassen sich intelligent und vollautomatisiert verwalten und sparen.“ Laufen Apps beispielsweise serverlos, dann schlägt sich die Infrastruktur nur dann in den Kosten nieder, wenn ein Kunde den damit verbundenen Service auch nutzt.

Anwender für FinOps sensibilisieren

„FinOps genießt noch nicht die Priorität, die es buchstäblich verdient“, sagt Dr. Nils Kaufmann, Leiter von EuroCloud Native. „Wer in die Cloud transformiert, denkt sofort an Security und Performance, aber nicht in derselben Tiefe daran, wie sich das eigene Invest smart managen lässt.“ Anwender für FinOps zu sensibilisieren, scheint daher auch für die FinOps Foundation richtig. Laut Umfrage sehen sich nur 15 Prozent als fortschrittliche Nutzer. Woran das liegen kann: Jeder Dritte findet es herausfordernd, die eigenen Entwickler überhaupt dazu zu bringen, die Sache anzupacken. „Developer bekommen immer mehr Zusatzaufgaben auf den Tisch“, sagt Kaufmann: „Hier braucht es aber FinOps-Spezialisten in Vollzeit.“

Mittelstand und KMU: FinOps macht gerade von klein auf Sinn

„Ab einem mittleren sechsstelligen Jahresumsatz für Cloud-Dienste macht es auch Sinn, interne oder externe Ressourcen für FinOps zu engagieren“, sagt Gehrmann. „In den meisten Fällen amortisieren sich solche Experten bereits nach kürzester Zeit.“ Und wer seinen Cloud-Betrieb kosteneffizienter realisiert, der spart nicht nur, sondern wird am Ende wettbewerbsfähiger. „Unternehmen können ihren Kunden bessere Konditionen anbieten“, sagt Wintermayr. Zudem wird FinOps gerade für kleine und mittlere Anwender im Mittelstand interessant. So zeigt die Mittelstands-Marktstudie zur Cloud-Nutzung von techconsult, gridscale und EuroCloud Deutschland aus dem November 2020, dass 34 Prozent der 150 befragten Firmen zukünftig mehr Workloads in die Public Cloud verlagern wollen. Gerade kleine Betriebe mit 50 bis 99 Mitarbeitern setzen bereits überdurchschnittlich häufig auf Public-Cloud-Services. „FinOps ist ein kontinuierlicher Prozess der insbesondere von klein auf Sinn macht“, sagt Kaufmann. Laut Umfrage der FinOps-Foundation erzielt derjenige die größten Effekte, der FinOps-Best Practices von Anfang an nutzt. „Skalieren später Geschäft und Cloud, bleiben die Kosten einfacher im Griff“, sagt Kaufmann: „Und zwar frühzeitig.“

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Über Nils Klute
Nils Klute ist IT-Fachredakteur. Egal, ob für IT-Medien wie heise.de, zdnet.de und silicon.de, für IT-Unternehmen wie SAP, T-Systems und Sony oder für B2B-Agenturen wie Palmer Hargreaves, Pleon Kohtes Klewes (heute Ketchum) und rheinfaktor – Nils Klute schreibt und spricht seit mehr als 15 Jahren über die Themen, die die IT- und Digitalwirtschaft bewegen. Von der Datenwirtschaft mit Gaia-X über Künstliche Intelligenz im Mittelstand bis hin zu Cloud-Native-Technologien - als Projektmanager Kommunikation Cloud Services ist er bei EuroCloud Deutschland_eco e.V. für das Content Marketing rund um die Themen des Verbands verantwortlich. Zudem unterstützt er KI-Projekte wie Service-Meister und Initiativen wie EuroCloud Native, Channel2Cloud oder EuroCloud Next Leaders mit Blogbeiträgen, Namensartikeln, Interviews, Pressemitteilungen, Konzepten und Strategien. Beruflich wie privat ist er auf LinkedIn und Twitter unterwegs.