Robuster im Geschäft: Wie der Mittelstand seine digitale Resilienz cloud-native steigert

Eine Nahaufnahme von Gliedern einer fest gespannten und stabilen Kette.
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Cloud-native Software macht den Mittelstand resilienter. „Unternehmen erkennen das aber nur langsam“, sagt Maurice Kemmann von Cloud Mates. „Wer erst in der Krise reagiert, reagiert zu spät“, sagt Igor Lankin von inovex. Wie Firmen unvorhersehbare Ereignisse agiler parieren und den Geschäftsbetrieb cloud-native sichern.

Wie rasch sich die Welt ändern kann, haben Menschen und Unternehmen in den vergangenen 18 Monaten gelernt. Fast jede zweite Firma passte laut Digitalisierungsindex Mittelstand im Zuge der Corona-Krise Geschäftsmodelle, Produkte und Services an. Kreativität war gefragt – und digitale Lösungen. Beispiel Homeoffice: Von den mehr als 2.000 von Techconsult im Auftrag der Telekom befragten kleinen und mittelständischen Unternehmen boten 74 Prozent Arbeitsplätze im Homeoffice an. Eine Maßnahme, die jede zweite Firma (55 Prozent) als Reaktion auf die Krise neu eingeführt oder ausgeweitet hat. Und eine Lösung, die laut aktueller Gemeinschaftsumfrage von German ICT & Media Institute, Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, deutsche ict+ medienakademie und TÜV Rheinland Consulting ein erster Schritt ist, um sich auf zukünftige Herausforderungen einzustellen: Wer digitalisiert, steigert seine Resilienz.

Cloud-native Software macht Mittelstand widerstandsfähiger

Igor Lankin, Head of Cloud Development bei Inovex
Igor Lankin, Head of Cloud Development bei inovex.

Produktiv weiterarbeiten, wenn Kontakte zu reduzieren und Begegnungen zu vermeiden sind – digitale Resilienz fängt da an, wo Firmen ihre Mitarbeiter:innen ins Homeoffice schicken können, und hört dort auf, wo sich komplette IT-Systeme als robust und widerstandsfähig erweisen müssen, wenn beispielsweise Hardware ausfällt, Software abstürzt, Netzwerke abreißen, Cybergefahren zuschlagen oder eben Naturkatastrophen die Wirtschaftswelt aus dem Takt bringen. „Cloud-native Anwendungen machen IT-Landschaften resilienter“, sagt Igor Lankin, Head of Cloud Development bei inovex. „Unternehmen erkennen das aber nur langsam“, sagt Maurice Kemmann, Gründer und Geschäftsführer bei Cloud Mates. Beide Cloud-Native-Anbieter sind darauf spezialisiert, die digitale Resilienz von Firmen über die Public Cloud zu steigern. Und beide Provider engagieren sich bei EuroCloud Native (ECN), der Cloud-Native-Initiative von EuroCloud Deutschland, die den Mittelstand für die Chancen der Cloud sensibilisieren möchte.

Chancen der Cloud erkennen: Mehr Strategie als Technologie

Maurice Kemmann, Gründer und Geschäftsführer bei Cloud Mates GmbH
Maurice Kemmann, Gründer und Geschäftsführer bei Cloud Mates.

File-Services, virtuelle Maschinen oder Speicherplatz: „Die Cloud ist heute viel mehr als das“, sagt Kemmann: „Aber oft sind den Anwender:innen die technologischen Möglichkeiten noch nicht gänzlich bekannt.“ Nicht anders steht es um das Potenzial für das Geschäftsmodell. Kemmann: „Cloud ist mehr Strategie als Technologie.“ Worauf es da ankommt: „Wer betriebswirtschaftliches Know-how mit Cloud-Native-Expertise kombiniert, macht so auch sein Geschäftsmodell resilienter“, sagt Lankin. Zwar lässt sich Public-Cloud-Software eng an Wertschöpfungsprozesse binden, wird dadurch aber nicht starr, sondern bleibt maximal flexibel.

Beispiel Corona-Pandemie: Wo Wertschöpfungsketten abreißen und Logistiknetzwerke stocken, skaliert die IT cloud-native mit. Das spart Ressourcen, Kosten und hält den Geschäftsbetrieb aufrecht. „Viele Unternehmen sind gedanklich noch in einer on-premises Welt“, sagt Kemmann. „Und durchaus braucht es per se keine Cloud, um Anwendungen robust und widerstandsfähig zu machen.“ „Aber die Geschäftswelt von heute ist vernetzt“, sagt Lankin. So wie sich Waren, Rohstoffe und Güter bewegen, so fließen heute Informationspakete in cloud-basierte Datenmarktplätze, IoT-Plattformen und ERP-Systeme. „Wer eine Software nur für sich selbst braucht, der kann sie im Serverraum so schreiben, dass sie robust ist“, sagt Lankin. „Verschränken und verzahnen Firmen ihre Prozesse, Informationen und Netzwerke in der Cloud miteinander, um digitale Werte zu schöpfen, dann muss eine Applikation bereits so robust sein, dass sie das überhaupt ermöglicht.“ Cloud-Native-Software ist die Lösung.

Cloud-Native-Architektur pariert Ausfälle intelligent

Egal, ob Rechenressourcen, Speicherplatz oder Netzwerke – die Public Cloud bietet Anwender:innen nicht nur die Infrastruktur, die sie für ihre Geschäftsmodelle benötigen. Sondern darüber hinaus auch alle Technologien, um robuste, resiliente und widerstandsfähige Applikationen zu realisieren. Beispiel Automatisierung: „In cloud-nativen Umgebungen lassen sich alle Prozesse in Code abbilden und so entsprechend absichern, beliebig oft wiederholen und smart steuern“, sagt Kemmann. Lankin: „Viele redundante cloud-native Einzelanwendungen bilden ein Ganzes, das sich selbst organisiert und intelligent anpasst.“ Eigenschaften wie diese erlauben es den Apps, automatisch zu skalieren, um beispielsweise Lastspitzen im E-Commerce abzufangen oder Ausfälle zu parieren. In einer solchen Architektur setzen sich die Softwareeinheiten aus virtuellen Containern und Microservices zusammen. Lose gekoppelt bleiben sie über Programmierschnittstellen verbunden. Der Vorteil: „Fallen einzelne Elemente aus, funktioniert das Gesamtsystem weiter“, sagt Lankin.

Applikationen automatisieren, damit sich IT-Ressourcen selbstständig und intelligent adaptieren: „So etwas im eigenen Rechenzentrum zu warten, zu betreiben und zu realisieren, wäre schlichtweg unwirtschaftlich“, sagt Kemmann. „Gleiches gilt für Infrastruktur, Tools und Dienste, die die Public Cloud bereitstellt, um Cybergefahren abzuwehren“, sagt Lankin. Künstlich intelligente (KI) Monitoringsysteme überwachen, wie sich Anwendungen verhalten und Daten durch die Netzwerke bewegen, melden verdächtige Ereignisse und wehren Angriffe ab. Kemmann: „Schutz macht Software resilient.“

Cloud-native Technologie mit Geschäftslogik verzahnen

Wollen Unternehmen die Möglichkeiten agiler Cloud-Infrastrukturen in technologisch resiliente Systeme überführen, gilt es, sich von Altem zu trennen: Bestehende Alt-Anwendungen einfach in die Public Cloud zu hieven oder in Container zu verpacken, reicht dafür nicht aus. „Stattdessen gilt es, Applikationen über cloud-native Technologien abzubilden und mit der Geschäftslogik zu verzahnen“, sagt Lankin. „Nur so schöpfen Anwendungen die Möglichkeiten aus, um optimal auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können.“ Beispiel elastische und serverlose Computing-Funktionen: Reibungslos und kostenoptimiert stellen cloud-native Apps Ressourcen in Echtzeit bereit.

Risiken analysieren und Resilienzstrategie konzipieren

Kernprozesse identifizieren, Krisenszenarien eruieren und IT-Komponenten kategorisieren: „Wer digital resilienter werden möchte, der sollte überlegt vorgehen“, sagt Kemmann: „Eine Risikoanalyse bildet die Basis für die eigene Resilienzstrategie.“ „Dann kommt es darauf an, in welchen Bereichen Firmen widerstandsfähiger werden möchten“, sagt Lankin: „Unternehmen können technologisch widerstandsfähiger werden oder auch mit Blick auf Markt und Wettbewerb.“ Am Ende ist digitale Resilienz zudem eine Frage der Kosten: Unternehmen, die gerade erst in die Cloud transformieren, haben hohe Initialaufwände zu tragen. Anders, wer schon länger in der Public Cloud arbeitet. Kemmann: „Firmen müssen ihr Invest langfristig und Kosten als Frage des Risikos bewerten.“

Cloud-Native-Provider weisen Weg zu mehr Resilienz

Was Anwender:innen helfen kann? „IT nicht mehr als notwendiges Übel und Capex-Belastung zu begreifen, sondern als große Chance für neue Geschäftsmodelle und potenzielle Quelle massiven Wachstums zu erkennen“, sagt Dr. Nils Kaufmann, Leiter bei EuroCloud Native. „Hyperscaler-Infrastrukturen leben von intelligenter Automatisierung und Expert:innen, die sich damit auskennen.“ Cloud-Native-Provider, wie sie sich in der Cloud-Native-Initiative von EuroCloud Deutschland versammeln, weisen auch dem Mittelstand den Weg zu mehr digitaler Resilienz. „Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass der Mittelstand umdenkt“, sagt Kemmann. „Nicht nur beim Homeoffice erkennen Firmen, welche Vorteile Cloud-Infrastrukturen gegenüber heterogenen IT-Landschaften haben.“ „Zwar können nur Menschen und keine IT-Systeme Krisen lösen“, sagt Lankin: „Aber wer erst in der Krise reagiert, reagiert zu spät.“

Laut Digitalisierungsindex kommen Unternehmen besser durch die Krise, die bereits weiter digitalisiert sind. Von den zehn Prozent der Firmen mit dem höchsten Digitalisierungsgrad bestätigen drei von vier, dass sie durch digitale Lösungen schnell und flexibel auf die Krise reagieren konnten (77 Prozent). Nur 36 Prozent der übrigen Unternehmen beschreiben einen vergleichbaren Effekt.

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Über Nils Klute
Nils Klute ist IT-Fachredakteur. Egal, ob für IT-Medien wie heise.de, zdnet.de und silicon.de, für IT-Unternehmen wie SAP, T-Systems und Sony oder für B2B-Agenturen wie Palmer Hargreaves, Pleon Kohtes Klewes (heute Ketchum) und rheinfaktor – Nils Klute schreibt und spricht seit mehr als 15 Jahren über die Themen, die die IT- und Digitalwirtschaft bewegen. Von der Datenwirtschaft mit Gaia-X über Künstliche Intelligenz im Mittelstand bis hin zu Cloud-Native-Technologien - als Projektmanager Kommunikation Cloud Services ist er bei EuroCloud Deutschland_eco e.V. für das Content Marketing rund um die Themen des Verbands verantwortlich. Zudem unterstützt er KI-Projekte wie Service-Meister und Initiativen wie EuroCloud Native, Channel2Cloud oder EuroCloud Next Leaders mit Blogbeiträgen, Namensartikeln, Interviews, Pressemitteilungen, Konzepten und Strategien. Beruflich wie privat ist er auf LinkedIn und Twitter unterwegs.